„Eigentlich ist es ganz einfach. Eigentlich muss man Kinder gar nicht erziehen. Eigentlich muss man sie nur lieben. Man muss sich seiner Beziehung zu ihnen sicher sein und umgekehrt. Und man muss ihnen vorleben. Natürlich muss man auch manchmal Grenzen setzen.
Aber Erziehung heißt im Wesentlichen Vorleben.
Das heißt eine liebevolle Beziehung der Eltern vorleben.
Das heißt Vorleben, wie man Konflikte löst.
Das heißt Vorleben, wie man mit bestimmten Frustrationen umgeht.
Das heißt natürlich auch Aushalten. Kinder müssen Dinge ausprobieren.
Womit ich immer große Schwierigkeiten habe, ist eine grundsätzlich misstrauische Haltung Kindern gegenüber. So ein Satz wie „Wenn man denen den kleinen Finger reicht, wollen sie die ganze Hand“. Da kann ich nur sagen – entweder wollen das alle Menschen oder eigentlich gar keiner. Meine Erfahrung ist, dass Kinder satt sind irgendwann. Aber man muss sie auch satt machen. Man muss dafür sorgen, dass sie auch satt sind. Und sie müssen in allen Bereichen satt sein. Sie müssen körperlich satt sein im Sinne von Hunger und Durst, sie müssen natürlich auch kognitiv satt werden im Sinne geistiger Anforderungen. Und sie müssen psychisch satt sein, indem sie sich ausreichend geliebt fühlen.
Und alles was sich künstlich drum herum rankt ist am Ende auch künstlich.“
Prof. Dr. Michael Schulte-Markwort in „Wenn Kinderseelen leiden“ (arte 2013)